SRV fordert Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister gegenüber Staatsanwälten
Das ist die konsequente Folge aus der Entscheidung des EuGH zum Europäischen Haftbefehl
Bautzen, den 4. Juli 2019: Der Sächsische Richterverein fordert den Sächsischen Justizminister auf, sich rasch für den Wegfall des politischen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften
einzusetzen. „Paragraph 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes muss so abgeändert werden, dass jeglicher politischer Einfluss auf die Staatsanwaltschaften ausgeschlossen ist und Deutschland endlich
auf die Höhe europäischer Justizstandards gebracht wird“, fordert Reinhard Schade, der Vorsitzende des Sächsischen Richtervereins.
Der Europäische Gerichtshof hatte vor kurzem entschieden, dass die deutschen Staatsanwaltschaften
nicht mehr Europäische Haftbefehle ausstellen dürfen. Angesichts des zumindest möglichen Rechts der Justizminister, Einzelweisungen zu geben, seien die Staatsanwaltschaften keine unabhängige
Justizbehörde.
„Es darf sich im Ausland nicht der Eindruck verfestigen, dass die deutschen Staatsanwälte politisch beeinflussbar sind“, kommentierte Schade die Entscheidung des EuGH. Er führt weiter aus:
„Deutschland kann andere Länder nicht glaubwürdig dafür kritisieren, ihre Justiz politischer Einflussnahme zu unterwerfen, solange die deutschen Gesetze das teilweise ebenfalls zulassen. Wir
haben mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Herr Staatsminister Gemkow bereits vor einigen Jahren den Versuch unternommen hat, das Weisungsrecht des
Justizministers abzuschaffen. Leider konnte er sich damals im Bundesrat nicht durchsetzen. Jetzt ist es an der Zeit, den Vorschlag erneut in die politische Diskussion zu bringen. Wir werden Herrn
Staatsminister Gemkow bei diesem Vorhaben nach Kräften unterstützen."
Versteckte Datenkrake im Lehrerpaket
Richter und Staatsanwälte fordern Änderung durch den Landtag
Bautzen, den 29. Oktober 2018: In dieser Woche beginnen die zuständigen Landtagsausschüsse die Beratung des sog. Lehrerpakets (Innenausschuss am 1. November und Schulausschuss wohl am 2.
November). Der Sächsische Richterverein (SRV) weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf – von der Öffentlichkeit bisher unbemerkt – den Datenschutz der über 80.000 Angestellten, Beamten und
Richter des Freistaates wesentlich beschränkt. Ihre
Personaldaten sollen nun an die Staatskanzlei übermittelt und dort unbeschränkt ausgewertet werden. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich. Die Datenverarbeitung ist nicht erforderlich, um die
Aufgaben der Staatskanzlei zu erfüllen. Damit verstößt sie gegen das Grundrecht der Bediensteten auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem kann sich die Staatskanzlei mit den Daten in die
Personalpolitik der Ressorts einmischen. Auch das lässt die Verfassung nicht zu.
Der Landesvorsitzende des SRV, Reinhard Schade, sagt dazu: „Dass die Öffentlichkeit durch die Debatte um die Lehrerverbeamtung abgelenkt ist, nutzt die Staatsregierung für den größten Einschnitt
in den Schutz der Beschäftigtendaten in der Geschichte des Freistaates. Im Lehrerpaket wurde das Personalanalysegesetz versteckt. Das ist eine Datenkrake, die jeden Angestellten, Beamten und
Richter im Freistaat für die Staatskanzlei zum gläsernen Mitarbeiter und zur Verschiebemasse auf dem Sachbrett ihrer Personalpolitik macht. Das ist verfassungswidrig. Die Landtagsabgeordneten
sind aufgefordert, die Reißleine zu ziehen.“
Hintergrund: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung zum sog. „Lehrerpaket“ (LT-Drs. 6/14443) enthält in Artikel 5 das Personalanalysegesetz. Danach sollen die Personaldaten aller
Angestellten, Beamten und Richter des Freistaates in pseudonymisierter Fassung, also ohne Name aber mit einer individuellen Kennnummer, an die Staatskanzlei übermittelt und dort unbegrenzt
ausgewertet werden. Dies soll dem „strategischen ressortübergreifenden Personalmanagement“ dienen und die Arbeit der Personalkommission fortsetzen. Ihr hatten aber statistische Auswertungen zur
Personalstruktur genügt, die von den Behörden, die die
Personalakten führen, erstellt und von der Staatskanzlei zusammengeführt worden waren. Dass solche Auswertungen künftig nicht genügen sollen, erklärt der Entwurf mit sog. „Darstellungslücken“. Diese entstehen aber nur bei sehr detaillierten Auswertungen, die nichts mit „strategischer ressortübergreifender“ Planung zu tun haben. Auch der Generationenwechsel im öffentlichen Dienst kann die Datenverarbeitung nicht begründen. Der Altersstruktur war stets bekannt; die Daten wurden nur aus politischen Gründen lange ignoriert.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, weil Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur gerechtfertigt sind, wenn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten
erforderlich ist, weil die Aufgabe sonst nicht erfüllt werden kann. Zudem gehört die Personalverantwortung zur Ressortverantwortung der einzelnen Staatsminister. Hierauf hat der SRV im Verfahren
bereits aufmerksam gemacht (LT-Drs. 6/14443, S. 119).
Mehr tun gegen schwere Kriminalität
Sächsische Richter und Staatsanwälte bewerten neue Regierungslinie
Bautzen, den 10. September 2018: Der Sächsische Richterverein (SRV) begrüßt die Initiative des Justizministers und des Generalstaatsanwalts, häufiger das beschleunigte Strafverfahren anzuwenden.
Sofern die dafür nötigen Voraussetzungen bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten geschaffen werden, kann dies das Rechtsstaatsgefühl der Bevölkerung stärken. Es darf aber nicht die
Verfolgung schwerer und organisierter Kriminalität in den Hintergrund treten, denn sie ist eine viel größere Bedrohung für den Rechtsstaat. Cyberkri-minellen, Schlepperbanden, Autoschiebern und
mafiösen Clans das Handwerk zu legen, erfordert intensive Arbeit, Geduld, Ressourcen und politischen Willen.
Der Landesvorsitzende des SRV, Reinhard Schade, sagte heute dazu: „Das beschleunigte Verfahren ist ein gutes Mittel gegen Alltagskriminalität. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir
nur die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen. Gegen Cyberkriminalität, Schlepperbanden und Drogenhandel, grenzüberschreitende Autodiebe und Mafia-Clans hilft das aber nicht. Die Gefahren
für die Allgemeinheit, die von solcher Kriminalität ausgehen, sind weit gravierender. Der Kampf dagegen erfordert intensive Ermittlungsarbeit, Hartnäckigkeit, Personal, Geld und einen
entsprechenden politischen Willen.“
Hintergrund: Justizminister Gemkow und Generalstaatsanwalt Strobl haben heute den Plan vorgestellt, zur Kriminalitätsbekämpfung in Sachsen häufiger das beschleunigte Verfahren
anzuwenden. Das beschleunigte Verfahren ist seit Jahrzehnten in der Strafprozessordnung vorgesehen. Es gilt aber weithin als unpraktisch und wird bundesweit kaum angewandt. Es ist nur für leichte
Kriminalität (z.B. Beleidigungen, einfache Körperverletzungen, kleine Diebstähle, Schwarzfahren) und bei eindeutigen Sachverhalten (geständige Täter) anwendbar. Höchstens kann eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt werden. In diesen Fällen fand bisher selten eine Gerichtsverhandlung statt. Sie wurden meist im schriftlichen Strafbefehlsverfahren abgehandelt.
Insgesamt ist die sächsische Strafjustiz derzeit sehr stark belastet. Wiederholt mussten Untersuchungsgefangene freigelassen werden, weil die Landgerichte nicht genügend Kapazitäten hatten, um
schnell genug zu entscheiden. Die sächsische Strafverfolgung hat aber auch Erfolge: z.B. nach jahrelangen Ermittlungen gelang es in diesem Sommer den russischen Hintermann eines europaweiten
Betrugssystems im Internethandel mit gestohlenen Kreditkartendaten und hunderten Handlangern in Zypern zu verhaften und nach Dresden zu überstellen – über 25.000 Einzeltaten mit mehrstelligem
Millionenschaden (war Gegenstand der Presseberichterstattung). Solche Ermittlungen binden erhebliche Ressourcen, sind für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung aber unverzichtbar.